BUND Kreisverband Odenwald

Werden unsere Gewässer ausreichend geschützt?

29. Oktober 2023

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte zu einem Fachvortrag für Parlamentarier und Mitarbeitende in einschlägigen Behörden und Verbänden eingeladen. Der Sitzungssaal in der Außenstelle des Landratsamts in Reichelsheim war bis auf den letzten Platz gefüllt, um Dr. Peter Seel über den Zustand und die Entwicklungsmöglichkeiten der Gewässer im Odenwald referieren zu hören.

PRESSEMITTEILUNG VON HARALD HOPPE

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Expertise aus der Landesbehörde

Dr. Peter Seel ist Chemiker und Biologe und war bis zu seiner Pensionierung Dezernatsleiter für Gewässergüte beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Er stellte dem Auditorium sein Fazit aus 32 Jahren Berufserfahrung in der Landesbehörde vor: Der zentrale Ansatzpunkt zur weiteren nötigen Verbesserung der Gewässergüte sind immer noch die Kläranlagen.


Die Selbstreinigungskraft der Gewässer ist überfordert

Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU stellt alle Länder der Gemeinschaft vor die Aufgabe, die Beschaffenheit der Gewässer in den sogenannten ‚guten Zustand‘ zu versetzen. Dies beinhaltet das Vorkommen von Kleintieren wie z. B. Insektenlarven, Krebsen und Schnecken, aber auch von Pflanzen und Algen sowie der Fische. Dieses Ziel wird jedoch im Odenwaldkreis von der Mümling nur an Teilstrecken, von der Gersprenz aber gar nicht erfüllt. Anhand verschiedener Forschungsergebnisse konnte Dr. Seel zeigen, dass Renaturierungen, um in früheren Jahrzehnten kanalförmig ausgebaute Bäche in einen naturnahen Zustand umzugestalten, sicher sinnvoll sind, aber nicht ausreichen, um verschwundene Tierarten in das Gewässer zurückzubringen. Auch die chemische Beschaffenheit des Wassers muss gut sein. Hier spiele die Abwasserentsorgung und insbesondere die Reinigungsleistung der Kläranlagen immer noch die entscheidende Rolle. Neben den schon vor 50 Jahren beachteten Inhaltsstoffen wie Phosphor, Stickstoff und sauerstoffzehrenden Stoffen kommen nun zusätzlich Arzneimittelwirkstoffe, Haushaltschemikalien und Biozide in den Blickpunkt, die von einer konventionellen Kläranlage nur unzureichend oder überhaupt nicht eliminiert werden können. Insgesamt können analytisch Tausende oft auch unbekannter Chemikalien festgestellt werden. Arzneimittelrückstände kommen nur in geringem Umfang durch unsachgemäße Entsorgung von Resten ins Abwasser, sondern weit überwiegend durch den Urin der Patienten Unterhalb von Kläranlagen können empfindliche Tierarten je nach Verdünnung des gereinigten Abwassers oft nicht überleben. Obwohl im Odenwaldkreis aufgrund des Reichtums an Wasser generell gute Bedingungen für die Gewässer bestehen, hat auch die Mümling stellenweise deutliche biologische Defizite. Die Gersprenz dagegen ist vom Oberlauf bis zur Mündung in den Main weit weg von dem gesetzlich geforderten Zustand.


Abwasserreinigung muss besser werden

Der Fachmann rät dazu, wo immer möglich, kleine Kläranlagen mit ihrer geringeren Reinigungsleistung aufzugeben und über einen neuen Kanal an die größere Anlage in der Nähe anzuschließen, wenn diese noch Reservekapazitäten hat. Diese großen Anlagen wie z. B. in Michelstadt, Breuberg oder Brensbach reinigen das Abwasser deutlich besser und kostengünstiger. Auf lange Sicht wird die Reinigung dort sogar noch besser werden. Im Idealfall können die Investitionskosten eines neuen Kanals durch verringerte Betriebskosten in der Zukunft refinanziert werden oder die Kosten für die notwendige Sanierung einer kleinen Anlage entfallen.
Das wichtigste Projekt in dieser Hinsicht wäre der Anschluss von Mossautal mit seiner großen, nicht mehr zeitgemäßen Teichkläranlage an die Michelstädter Anlage in Asselbrunn. Dazu läuft bereits eine Debatte. Das Land sollte aus Dr. Seels Sicht zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie mehr Fördermittel für die Fälle bereitstellen, bei denen eine Schließung einer kleinen Kläranlage gewässerökologisch sinnvoll ist, aber an zu hohen einwohnerspezifischen Kosten scheitern würde. Auf Dauer müssten auch die großen und mittelgroßen Anlagen mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe ausgerüstet werden. Darunter versteht man, dass mit Hilfe von Aktivkohle oder Ozon der größte Teil der o.g. Chemikalien entfernt werden kann. Das Verfahren ist seit Jahren großtechnisch bewährt und in der Schweiz seit sechs Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Derzeit wird ein Vorschlag der EU-Kommission diskutiert, die Technik für bestimmte Kläranlagen gesetzlich zu regeln. Im Odenwaldkreis sei der Ausbau an der Kläranlage Brensbach, die u.a. das Abwasser von Reichelsheim, Fränkisch-Crumbach und Brensbach reinigt und in die Gersprenz einleitet, aus gewässerökologischer Sicht am dringlichsten. Man sollte nicht warten, bis dies gesetzlich bundesweit vorgeschrieben sei, so der Experte.


Fachdiskussion

Mit den anwesenden Fachleuten aus der Wasserwirtschaft entspann sich eine fruchtbare Diskussion über den besten Weg. Dabei kamen auch die fachfremden Einflussnahmen aus der Politik zur Sprache. Es wurden Beispiele über aus heutiger Sicht falsche Entscheidungen der Vergangenheit erörtert die die derzeitigen Probleme des Gewässerschutzes mit verursacht haben. Leider war kein Bürgermeister einer Kreiskommune der Einladung des BUND gefolgt. Für die Fachleute des Gewässerschutzes war dieser Erfahrungsaustausch jedoch ein Gewinn.

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