BUND Kreisverband Odenwald

Erbachs Stadtverordnete ignorieren Naturschutz und Hochwassergefahr

27. April 2023

Die Stadtverordnetenversammlung der Kreisstadt hat in ihrer Sitzung am 06.04. die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan ‚Südliche Innenstadt‘ behandelt. Neben einigen Fachbehörden und Eigentümern hatte auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Dezember eine Stellungnahme abgegeben. Kern des Vortrags war die aus Sicht des Umweltverbands mangelhafte Berücksichtigung des FFH-Gebietes ‚Nebenflüsse der Mümling‘, das Ende am Ostrand des Plangebietes verläuft

PRESSEMITTEILUNG VON HARALD HOPPE

PDF Version

Formalismen gegen ganzheitliche Betrachtung

Das deutsche Naturschutzrecht hat die Berücksichtigung des europäischen Netzwerks von Flächen, die für die Natur von besonderer Wichtigkeit sind, übernommen. Die Erfolglosigkeit dieses Vorhabens braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden. Die roten Listen der vom Aussterben betroffenen Arten werden trotz dieses Netzwerks immer länger – die Milliarden an Fördergeldern scheinen wirkungslos zu verpuffen. Einer der Gründe dafür wird am Plan der Stadt deutlich: die Kommunen drücken sich – mit Rückendeckung durch die Parlamente – vor einer wirkungsvollen Umsetzung der im Naturschutzgesetz formulierten Anforderungen.  Das FFH-Gebiet der Mümling soll zwei Tierarten, die im Wasser leben, schützen. Dafür soll laut dem Maßnahmenplan ‚der bachbegleitende Bewuchs erhalten und entwickelt werden‘, was nach normaler Interpretation nichts anderes heißt, als mehr Fläche als bisher vorhanden dafür bereitzustellen. Die Stadt hat mittels eines Gutachters im Dezember 2022 erklärt, dass die beiden Fischarten nicht vorgefunden wurden, dass man sich also nicht weiter um sie zu kümmern gedenke.


Gewässerrandstreifen als Schutzzone?

Die Planung sah einen neuen Geh- und Radweg auf dem Westufer der Mümling vor, der zudem den vorhandenen Baumbestand tangierte. Das Regierungspräsidium verwies zwar auf die im Hessischen Wassergesetz (HWG) enthaltene Forderung, ab Oberkante der Mümlingböschung einen Gewässerrandstreifen auszuweisen, signalisierte aber gleichzeitig, dass es für die Bebauungsverbote des Gesetzes ja Befreiungen geben könnte. Die für eine Verwaltung eigentlich zu erwartende Forderung, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, wurde nicht gestellt. Die amtliche Datenbank ‚natureg‘ zeigt im Plangebiet einen 10m breiten Streifen, der unter die Vorgaben des HWG fallen müsste, mit allen Konsequenzen für die Nutzung und Bebaubarkeit. Der geplante Radweg wurde zwar als unzulässig bezeichnet, von einer Beschränkung von Neubauten auf einen Schutzabstand von der Mümling mochte man in Darmstadt nicht schreiben.


Hochwasserschutz – nichts gelernt? 

Seit dem Aar-Hochwasser ist allgemein bekannt, dass die Natur sich nicht an die statistisch alle 100 Jahre erwarteten Hochwasser hält. Das Plangebiet in Erbach liegt zur Hälfte in einer solchen Gefahrenzone. Die noch heftigere Hochwassergefahr – die statistisch seltener eintreten kann – würde das Gebiet gänzlich überschwemmen. Statt eine Neubebauung – wie es das HWG vorsieht – an solchen Gefahren zu orientieren, hat das RP sich darauf zurückgezogen, dass das Gebiet ja bereits bebaut sei und auch hier Befreiungen signalisiert.

Die Stadtverordneten haben zwar aus der Planung den Geh- und Radweg gestrichen, aber für die Natur und ihre Entwicklungsmöglichkeiten haben sie nichts konsequentes getan. Im Nordteil soll es bei der bisherigen Parkplatznutzung bis ans Ufer bleiben, im Südteil wird eine Pflanzfläche ausgewiesen, an die allerdings die vorhandene und auch künftig nutzbare Bebauung nur 1m Abstand hält. Die in der hessischen Bauordnung geforderten heutigen Mindestabstände der Bebauung von der Grundstücksgrenze haben die Mandatsträger nicht eingehalten. Zu wessen Vorteil?

Der BUND ist mit dem Verlauf dieser Planung nicht zufrieden – sie zeigt im Gegenteil, wie wenig Natur im politischen Alltag wert ist. Der Plan weist lediglich einen Hinweis auf die zu beachtenden Schutzbestimmungen des FFH-Gebietes auf. Für die Nutzung von Gebäudedächern beispielsweise gibt es dagegen detailreiche Vorschriften, welche Dachteile nicht begrünt werden müssen. Dies kann durch die Bauaufsicht kontrolliert und durchgesetzt werden. Ähnliche durchsetzbare Vorschriften, die den Schutz eines für die Natur wichtigen Gebietes betreffen, sucht man jedoch im Plan vergebens. 

Zur Übersicht